Zeitraum: | 29.05.2024 - 14.08.2024 |
Revier: | Italien, Elba, Capoliveri Deutschland, wechselnde Regionen |
Boot: | ohne Boot |
Crew: | Markus Melanie |
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Bericht 74 - Getrennte Wege, wenn auch nur auf Zeit - Melanie in Deutschland, Markus auf Elba
Bericht aus der Sicht von Melanie:
Nachdem wir die Formalitäten bei KLM bezüglich unseres Gepäcks erledigt haben, gehen wir noch ein letztes Mal gemeinsam frühstücken. Nach dem Frühstück bringe ich Markus bis zum Check-in-Schalter. Der Abschied ist schmerzhaft! Mit Tränen in den Augen drehe ich mich um und mache mich auf die Suche nach dem Bahnhof. Am Bahnsteig kann ich die Tränen dann nicht mehr zurückhalten. So sitze ich abseits der anderen Passagiere auf einer Bank und weine. Nach einigen Minuten zücke ich mein Handy und kontrolliere die Abfahrtszeit auf meinem Zugticket. Eigentlich hätte ich noch 2 Stunden Zeit, stelle aber fest, dass ich keine Zugbindung habe und somit bereits den nächsten Zug in einer halben Stunde nehmen kann. Ich hatte noch beim Frühstück einen Tarif für meine deutsche SIM-Karte gebucht und bin nun sehr froh darüber. Ich gebe meiner Freundin Doro Bescheid, dass ich, sollte ich den Anschlusszug wie geplant bekommen, bereits eher in Dülmen ankommen werde. Sie freut sich riesig darüber.
In Enschede muss ich umsteigen und bekomme nur ganz knapp meinen Anschlusszug. Keuchend lasse ich mich auf den Sitz sinken. Kaum sind wir über die Grenze gefahren, fängt es an zu regnen. Doch im Kreis Coesfeld angekommen, scheint auch schon wieder die Sonne. Trotzdem ist mir kalt. Die normalen Deutschlandtemperaturen bin ich einfach nicht mehr gewohnt!
In Dülmen holt Doro mich, wie abgesprochen, ab. Ich freue mich riesig und sie auch! Auf dem Weg nach Olfen quatschen wir, als wenn wir uns jede Woche zum Tee trinken treffen würden. Es ist so schön, wenn man Freunde hat, mit denen es so unkompliziert ist! Sie setzt mich in Olfen bei Mama und Klaus ab und wir verabreden uns für einen Spaziergang, ein Treffen oder was auch immer in den nächsten Tagen. Ich freue mich meine Mama und auch Klaus wiederzusehen. Wir unterhalten uns kurz, aber dann muss ich zunächst in die Innenstadt und ein paar Anziehsachen (Unterwäsche, Socken und einen langen Pullover), sowie Hygieneartikel einkaufen. Die Rechnungen dafür reiche ich bei KLM ein und bekommen sie später, vollständig bzw. anteilig, erstattet. Und dann wartet noch eine Überraschung auf mich. Meine Schwester Mareike, ihr Mann Maik und deren beiden Kinder sind zu Besuch. Mareike und Maik wollen am folgenden Tag, der in Deutschland ein Feiertag ist, nach Obelink fahren. Das ist ein sehr großer holländischer Campingausrüster. Und sie fragen, ob ich mitkommen möchte. Der Jetlag meldet sich zwar, aber ich muss ja nicht selbst Auto fahren. Es wird ein schöner Ausflug und ich genieße die Zeit mit meiner „kleinen“ Schwester.
Und auch die nächsten Tage, in denen sie noch bei Mama sind, genieße ich sehr. Endlich habe ich mal Zeit etwas mit Mareike und meinen beiden Neffen zu unternehmen. Wir gehen spazieren und Eisessen und reden ganz viel miteinander.
Am 09.06.2024, also 10 Tage nach meiner Ankunft in Olfen, wird endlich mein Gepäck zugestellt. Die eingereichten Rechnungen werden anstandslos in vorgegebener Höhe übernommen und das Geld geht zeitnah auf meinem Konto ein.
Meine Tage in Olfen gestalte ich ganz unterschiedlich. Ich genieße sehr die Zeit, die ich mit meiner Mama und mit Klaus verbringe. Wenn ich nicht arbeite, also Online unterrichte oder die Präsenzseminare in Dortmund halte, treffe ich mich mit Freundinnen, mit Lara und Jannik oder mit Julian. Mit Mama gehe ich fast jeden Tag eine große Runde spazieren. Meine Health-App ist begeistert! Meine durchschnittliche Schrittzahl liegt weit über meinem normalen Mittelmaß. Das Wetter ist wechselhaft. Manchmal können wir am Nachmittag schon mit einer Tasse Kakao oder Tee auf der Dachterrasse sitzen. Für das Frühstück im Freien ist es meistens einfach noch zu kalt. Ich brauche lange, bis ich mich an die kühlen Temperaturen wieder gewöhnt habe. Mich nerven die vielen Lagen Stoff, die ich hier anziehen muss. Meistens ist auch noch eine Jacke notwendig! Immer wieder gibt es Regen. Nicht so wie in der Karibik, wo es meistens einzelne, ganz dicke Regenschauer sind, die innerhalb von max. einer halben Stunde wieder vorbei sind, sondern so Tage, an denen es irgendwie trotz Sommer nicht richtig hell wird und der Regen als Dauerregen sich einfach nicht verziehen möchte.
Ende Juni treffe ich mich mit meiner Kollegin Verena. Endlich begegnen wir uns live und in Farbe. Na gut, Farbe gibt es bei Zoom auch, doch so in real ist es natürlich tausendmal schöner. Wir verstehen uns auf Anhieb super und verbringen mehrere Stunden, ohne dass wir merken, wie die Zeit vergeht. In der gleichen Woche fahren Mama und Klaus für einige Tage zu Mareike an die Ostsee. Passend dazu melden sich die Nalas, dass sie einen Termin in NRW haben und mich gerne sehen möchten. Und so kommt es, dass sie mit bei mir übernachten dürfen. Das freut mich natürlich besonders. Wir verbringen zwei schöne gemeinsame Tag in denen ich Manuela und Christoph meinen Heimatort zeige. Sie lernen Markus Mutter kennen und ich zeige ihnen die Heckrinder und die Esel, die in den Steverauen rund um Olfen leben.
Am Sonntag fahren sie dann zu ihrem Termin ins Rheinland. Ich checke die Nachrichten vom National Hurrikan Center der USA und mir rutscht das Herz in die Hose. Hurrikan Beryl ist im Anmarsch. Am Montag, dem 1. Juli um 8:15 Uhr ist klar, dass Beryl nördlich von Grenada sein Zentrum haben wird. Und so kommt es auch! eMMa liegt sicher vertäut in der Spice Island Marina im Süden von Grenada an Land. Auch dort geht der Wind bis auf Orkanstärke hoch, aber es sind nur die Ausläufer des Hurrikans. Das Zentrum fegt über Carriacou und Union Island hinweg. Markus und ich telefonieren an diesem Tag noch häufiger als sonst. Machen können wir nichts, außer abwarten. Um eMMa haben wir kaum Angst, als die Zugbahn klar ist. Ja, Orkanböen sind auch viel Wind, aber das hält sie aus. Hochwasser wird auch nicht in der Gegend erwartet. Wir haben eMMa sehr gut vorbereitet und alles sturmsicher befestigt. Klar könnte sie von herumfliegenden Teilen getroffen werden, doch dieses Risiko ist uns bewusst.
Unsere Gedanken sind viel mehr bei allen Menschen auf Grenada, Carriacou, Petit Martinique, Union Island, Mayreau und den Tobago Cays. Wir denken an die Mitarbeiter und ihre Familien der Marina, des One Loves, an die Bewohner von Carriacou. An Alice, der Chefin vom Paradise Beach Club und ihren Mitarbeitern, an „Hermann the german“ auf Union Island und an Romeo und seine Crew in den Tobago Cays. Den Tag über sind wir sehr angespannt. In der Tagesschau um 20 Uhr am Abend wird Hurrikan Beryl auch thematisiert, denn es ist der früheste und südlichste Hurrikan der Kategorie 4, der je verzeichnet wurde. Über die Schäden und die Bevölkerung wird nichts weiter gebracht. Ab Dienstag trudeln bei uns die ersten Bilder und Berichte über die massiven Schäden ein. Segler vor Ort organisieren sich gemeinsam mit dem Grenada Sailing Club für Hilfsorganisationen. Spenden werden gesammelt. Auch wir veranstalten einen Spendenaufruf, sammeln Spenden und leiten sie weiter. Und die sind auch dringend notwendig, denn immer mehr wird das Ausmaß von Beryl deutlich. Auf Petit Martinique ist kein Haus unbeschädigt. Auf Carriacou und Union Island haben mehr als 90 Prozent der Häuser kein Dach mehr. Vom Paradise Beach Club ist wie durch ein Wunder das Gebäude der Bar stehen geblieben. Aber eben auch nur dieses. Alles andere ist zerstört. Es gibt keinen Strom, kein Wasser, keine Lebensmittel. Auf Mayreau ist die Kirche eingestürzt. Und ja, auch Menschen sind bei dem Hurrikan und in den folgenden Tagen auch an den Folgen von Beryl gestorben.
Bereits am Mittwoch erhalten wir die erste Email von der Marina. Sie bedanken sich bei allen Menschen, die an sie gedacht haben. Ihnen und ihren Familien geht es soweit gut. Ihre Gedanken sind bei allen Menschen auf Petit Martinique und Carriacou, denn diese beiden Inseln gehören ebenfalls zu Grenada. Sie haben einen ersten Rundgang über das Marina Gelände gemacht und können sagen, dass es keine größeren Schäden zu verzeichnen gibt und es allen Booten gut geht. Sie werden aber in den nächsten Wochen auf jedes Boot klettern und es genau begutachten. Sollte Schäden sichtbar sein, dann würden sie Fotos davon machen und zu den Eignern schicken. Etwa zwei Wochen später erhalten wir eine Email mit bestimmt 10 Fotos von eMMa. Im ersten Moment bekommen wir einen gewaltigen Schreck und denken an ganz viele Schäden durch herumfliegende Teile. Dem ist aber nicht so. Das Team der Marina hat von jedem Boot Aufnahmen gemacht und schickt sie an die einzelnen Eigner! Auch zur Beruhigung, das alles gut ist. Wir sind gerührt und sehr dankbar!
Meine Zeit in Deutschland ist natürlich auch geprägt von Fußball. Schließlich läuft die Fußball-EM. Oft schauen Mama und ich gemeinsam die Spiele, fiebern mit und schimpfen über vertane Chancen. Manchmal telefoniere ich dabei mit Markus. Es ist lustig, wenn wir wieder einen Übertragungsversatz drin haben und wir das Tor eher sehen als er.
Das ist übrigens das schwerste an der ganzen Zeit in Deutschland! Die räumliche Trennung von Markus. Wir telefonieren täglich, oft auch mehrmals täglich. Doch es ist eben nicht das Gleiche. Und mal eben in den Arm nehmen lassen, ist halt auch nicht drin. Oft gibt es diese kleinen Momente in denen ich denke, das musst Du nachher Markus erzählen! Gemeinsam reden, lachen, den Alltag gemeinsam gestalten, körperliche Nähe - wie sehr ich das vermisse!
Ich spreche für uns beide: das ist kein Modell für uns in den nächsten Jahren! Es soll ja Menschen geben, die damit wunderbar zurecht kommen. Die es teilweise sogar sehr genießen. Wir jedenfalls nicht!
Bereits Anfang Juli buchen wir unsere Flüge in die Karibik für die vorletzte Novemberwoche. Wir freuen uns jetzt schon auf unsere eMMa und eine weitere Karibiksaison. Ebenfalls im Juli kommt ein Überraschungspaket von Caro an. Sie hat uns ein Fotobuch von der Zeit mit ihr auf Guadeloupe gestaltet und geschenkt. Besonders ist die Überraschung gelungen, weil wir damit überhaupt nicht gerechnet haben. Ich hatte ein Buch übers Internet bestellt und bekomme nun eine Benachrichtigungskarte von der Post, dass ein Päckchen an der Packstation angekommen sei. Natürlich gehe ich davon aus, dass es das bestellte Buch ist, doch zum Vorschein kommt jedoch das Fotobuch!
Und so wie ich von Caro überrascht wurde, sorge ich für eine Überraschung an Saras Geburtstag. Es ist so schön zu sehen, wie sie sich freut mich zu sehen!
Am 18. Juli bringt Rita mich nach Münster. Wir bummeln gemeinsam durch die Stadt und gehen etwas essen, bevor ich am Nachmittag mit dem Zug nach Schwerin fahre. Dort verbringe ich eine schöne Woche gemeinsam mit Manuela. Natürlich auch mit den restlichen Nalas, aber überwiegend mit Manuela, denn sie hat Urlaub in der Woche. Wir genießen das schöne Sommerwetter, machen Spaziergänge und Sightseeing, schippern mit dem Ausflugsdampfer über den Schweriner See, besuchen Manuelas Eltern und quatschen ganz viel. Die Abenden verbringen wir gemeinsam mit Alfred und Christoph und manchmal auch mit Theo und Lilly. Wir schauen Filme oder Serien, spielen Spiele, essen Pizza oder Chinesisch, machen Wanderungen und Badeausflüge und reden und reden. Es ist fast so wie in den letzten gemeinsamen zweieinhalb Jahren. Nur Markus fehlt dabei.
Am 26. Juli fahre ich dann mit dem Zug nach Rostock. Von dort weiter nach Warnemünde und werde Hohe Düne von Jürgen an der Fähre abgeholt. Es ist wie nach Hause kommen! Bei Sterna an Bord gibt es das freudige Wiedersehen mit Andrea. Und es wird auch gar nicht lange gequatscht, sondern gleich abgelegt. Heute macht der Wind mit, also raus auf die Ostsee! Wir sind schon ein lustiges Seglertrio. Jürgen im T-Shirt, Andrea im Pullover und ich in dicker Ölzeugjacke! Die brauchen wir dann später auch noch alle, da ein kurzer Schauer mir ebenfalls Hallo sagen möchte. Nach ein paar Stunden drehen wir um und legen wieder in Hohe Düne an. Die Sonne kommt noch einmal heraus und so machen wir uns auf den Weg an den Strand. Erst ein bisschen laufen, dann eine Runde schwimmen. Brrr - es ist arschkalt! Spaß macht es trotzdem.
So schön die Zeit mit Familie und Freunden auch ist, aber ich bin ja aus einem bestimmten Grund in Deutschland, nämlich zum Arbeiten. Die Seminare machen mir viel Spaß und die Feedbacks der Teilnehmer sind durchweg positiv. Die Zugfahrten durch Deutschland laufen sehr durchwachsen. Etwa die Hälfte aller Fahrten lege ich problemlos und entspannt zurück. Die andere Hälfte sorgt allerdings für erhöhten Puls und dafür, dass ich zumindest einen kleinen Teil dank der Fahrgastrechte wieder zurück erstattet bekomme.
Die Zeit in Deutschland vergeht langsam und schnell zugleich. Die Momente mit der Familie und mit Freunden sind natürlich immer viel zu schnell vorbei und viel zu kurz. Die Tage, Abende, Nächte ohne Markus sind immer viel zu lang und ziehen sich wie Kaugummi. Wenn wir telefonieren, erzählt er mir von der Tauchbasis, den Gästen, den Mitarbeitern, vom Bootsfahren, der Insel, Fußball, Dingen, die er erlebt, gesehen oder gelesen hat und von den kleinen und großen Geschichten, die das Leben und Arbeiten an einer Tauchbasis eben so mit sich bringen.
